Kaiser, Jan ORCID: https://orcid.org/0000-0002-1553-4043 (2023) Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Hochschulsystems des Landes Schleswig-Holstein einschließlich Universitätsmedizin. Wissenschaftsrat, Köln.
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Der Wissenschaftsrat kommt mit den vorliegenden Empfehlungen der Bitte des Landes Schleswig-Holstein nach, eine Gesamtbetrachtung seines Hochschulsystems vorzunehmen und Vorschläge zu dessen strategischer Weiterentwicklung zu erarbeiten. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Leistungsdimension Transfer, die für das Anliegen des Landes zentral ist, den Beitrag der Hochschulen zur Förderung von Innovationen und Wertschöpfung zu verdeutlichen und zu steigern. Vertiefende fachliche Betrachtungen etwa von Studiengängen und Forschungsfeldern sowie der Lehrkräftebildung sollten ausdrücklich nicht vorgenommen werden. Die Begutachtung der Universitätsmedizin Schleswig-Holstein an den beiden Standorten Kiel und Lübeck umfasste eine detaillierte Betrachtung der üblichen Leistungsdimensionen (Forschung, Lehre, Krankenversorgung, Transfer, Infrastrukturen), finanzieller und personeller Ausstattungsfragen sowie rechtlicher Rahmenbedingungen. Daraus wurden Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Universitätsmedizin abgeleitet. In der Gesamtbetrachtung wurde auf Wunsch des Landes ein spezielles Augenmerk auf folgende sechs Schwerpunktthemen gelegt: Erneuerbare Energien/ Energiewende, Lebenswissenschaften, Medizintechnik, Meereswissenschaften, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sowie Kultur- und Kreativwirtschaft. Es steht außer Frage, dass die Hochschulen auch in anderen Bereichen, die nicht im Fokus der Begutachtung standen, maßgeblich zur Entwicklung der Wissenschaften und des Landes beitragen. Das Hochschulsystem des Landes ist gekennzeichnet durch ein leistungsfähiges und differenziertes Institutionengefüge mit drei Universitäten, einem Universitätsklinikum, vier Hochschulen für angewandte Wissenschaften/Fachhochschulen (HAW/FH), einer Kunst- und einer Musikhochschule. Zudem sind drei private Hochschulen und eine Reihe außeruniversitärer Forschungseinrichtungen in Schleswig-Holstein angesiedelt. Der Wissenschaftsrat würdigt, dass das Land in den letzten Jahren seine finanziellen Anstrengungen verstärkt hat, um die Rahmenbedingungen für die Hochschulen zu verbessern. Auch durch diese maßgebliche Unterstützung hat sich das Hochschulsystem positiv entwickeln können. Mit ihren breit aufgestellten Studienangeboten erreichen die schleswig-holsteinischen Hochschulen eine überwiegend regionale Zielgruppe und tragen entscheidend zur Fachkräftesicherung im Land bei. Alle Hochschulen (bis auf die beiden künstlerischen) haben Forschungsschwerpunkte gesetzt. Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und die Universität zu Lübeck (UzL) sind auf ihren Profilfeldern forschungsstark und haben erfolgreich größere Verbundvorhaben eingeworben. Die HAW/FH sind mit ihren anwendungsorientierten Forschungsaktivitäten gut in der regionalen Wirtschaft vernetzt. Die beiden künstlerischen Hochschulen bilden überregional aus und bereichern das kulturelle Leben im Land. Da in Schleswig-Holstein nur wenige Großunternehmen mit eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen ansässig sind, spielen die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen als zentrale Treiber von Innovationen eine Schlüsselrolle für die Steigerung der Wertschöpfung im Land. Mit ihren vielfältigen Transferaktivitäten leisten die Hochschulen im Rahmen ihrer Möglichkeiten bereits jetzt beachtliche Beiträge zur wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung des Landes. Trotz dieser positiven Entwicklungen der letzten Jahre bleibt das schleswig-holsteinische Hochschulsystem aus Sicht des Wissenschaftsrats hinter seinen Möglichkeiten zurück. Grundlegende Probleme sind die Strategiedefizite des Landes und der Hochschulen, die weiterhin unterdurchschnittliche Finanzierung des Hochschulsystems und zu komplexe Strukturen in der Hochschulsteuerung und im Hochschulbau. Teilweise noch ungenutzte Synergiepotenziale sieht der Wissenschaftsrat auch in einem stärkeren Zusammenwirken der Hochschulen untereinander, mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und mit weiteren, insbesondere wirtschaftlichen Akteuren, auch über Schleswig-Holstein hinaus. In den Leistungsdimensionen Studium und Lehre sowie Forschung hält er eine gezielte Weiterentwicklung und Profilierung für erforderlich. Transfer ist weder in der Strategie des Landes noch an den Hochschulen hinreichend systematisch verankert. Zudem sind die bestehenden Kooperationsstrukturen für ein lebendiges und nachhaltiges Transfergeschehen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft verbesserungswürdig. Der Wissenschaftsrat ist davon überzeugt, dass ein noch leistungsfähigeres Hochschulsystem seine Innovations- und Wertschöpfungspotenziale besser entfalten und damit maßgeblich zur Weiterentwicklung des Landes beitragen würde. Er hat die folgenden übergeordneten Handlungsfelder identifiziert, in denen entsprechende Maßnahmen die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulsystems verbessern können: _ Strategie- und Steuerungsfähigkeit von Land und Hochschulen verbessern Für eine erfolgreiche Weiterentwicklung des schleswig-holsteinischen Hochschulsystems ist eine übergreifende Planung notwendig, die mit klaren strategischen Zielen unterlegt und unter den wissenschaftlichen und politischen Akteuren abgestimmt ist. Dazu ist insbesondere ein intensiverer Austausch des Wissenschaftsressorts mit den weiteren relevanten Ressorts notwendig. Der Wissenschaftsrat sieht auch die Hochschulen in der Pflicht, sich durch eine proaktive Abstimmung ihrer Leistungsportfolios untereinander und mit dem Land strategischer für die Entwicklung aussichtsreicher wissenschaftlicher Schwerpunkte und Anwendungsfelder im Land einzusetzen. Angesichts begrenzter Ressourcen gehen mit der Schwerpunktbildung notwendige Posteriorisierungen in anderen Bereichen einher, die Land und Hochschulen sorgsam prüfen sollten. Die bereits etablierten Ziel- und Leistungsvereinbarungen sollten zum Hauptsteuerungsinstrument ausgebaut und stärker zielorientiert ausgerichtet werden. Damit die Hochschulen die vereinbarten Entwicklungsziele eigenständig umsetzen können, sollte auf kleinteilige Vorgaben, maßnahmenorientierte Vereinbarungen und aufwändige Berichtspflichten soweit wie möglich verzichtet werden. _ Auskömmliche Grundfinanzierung der Hochschulen sicherstellen Damit die Hochschulen ihre wachsenden Aufgaben in den Leistungsdimensionen Lehre, Forschung, Transfer und Infrastruktur erfolgreich wahrnehmen und sich überregional wettbewerbsfähig weiterentwickeln können, sind sie auf eine auskömmliche Grundfinanzierung angewiesen. Der Wissenschaftsrat ist sich bewusst, dass viele der von ihm empfohlenen Maßnahmen zusätzliche Ressourcen seitens des Landes erfordern. Er betont jedoch, dass eine auskömmliche Finanzierung des Wissenschaftssystems in allen Leistungsdimensionen Grundvoraussetzung dafür ist, die gesellschaftliche Innovationskraft und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und das Land nachhaltig und zukunftsgerichtet weiterzuentwickeln. Bei der Mittelzuweisung an die Hochschulen sollten die Mittelherkünfte konsolidiert werden, indem ergänzende Sonderbudgets und Programmfördermittel möglichst umfassend in fixe und planbare Globalzuweisungen überführt werden. _ Stellenwert von Hochschulbau und Infrastrukturentwicklung stärken Der Wissenschaftsrat plädiert angesichts des großen Sanierungsstaus nachdrücklich dafür, dem Hochschulbau einen höheren Stellenwert in der Hochschulpolitik des Landes zu verleihen, damit die Hochschulen den wachsenden Anforderungen von Lehre, Forschung und Transfer nachkommen können. Die Bedarfe sollten im Rahmen einer strategischen Bauentwicklungsplanung ermittelt und durch ausreichende Finanzmittel unterlegt werden. Das Zusammenspiel der im Hochschulbau involvierten Akteure sollte vereinfacht und die Rolle der Hochschulen durch mehr Autonomie bei der Planung und Durchführung von baulichen Maßnahmen aufgewertet werden. Der Wissenschaftsrat ermutigt dazu, bei Bau- und Sanierungsvorhaben innovative Raumkonzepte und Möglichkeiten einer flexiblen Flächennutzung einzubeziehen. Weitere Potenziale sieht er in Konzepten der gemeinsamen Flächen- und Infrastrukturnutzung von Hochschulen, um Doppelstrukturen zu vermeiden. Er weist zudem auf den Bedarf an Flächen für Transfer- und Gründungsaktivitäten hin, deren Finanzierung aus Landesmitteln ermöglicht werden sollte. _ Studienangebote weiterentwickeln und Studienerfolg verbessern Die Hochschulen stehen vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung vor der Herausforderung, weiterhin ausreichend akademische Fachkräfte für den Arbeitsmarkt auszubilden. Sie sollten deshalb ihre Studienangebote weiterentwickeln, um ihre überregionale und internationale Attraktivität und Sichtbarkeit zu verbessern, und die Zahl der Absolventinnen und Absolventen erhöhen. Dabei sollten sie eine angemessene Ausdifferenzierung des Studienangebots anstreben, ihre Forschungsstärken besser darin abbilden und Vertiefungsrichtungen in konkreten Anwendungsfeldern anbieten. Bei berufsbegleitenden und anderen flexiblen sowie dualen Studienangeboten, mit denen die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung erhöht und neue Zielgruppen erschlossen werden können, besteht aus Sicht des Wissenschaftsrats Ausbaupotenzial. Die Hochschulen sollten zudem ihre Maßnahmen zur Steigerung der Qualität der Lehre und des Studienerfolgs intensivieren und auf der Grundlage der positiven Ansätze die Digitalisierung in Studium und Lehre stärken. Mit Blick auf den steigenden Bedarf an akademisch ausgebildeten Fachkräften sollten Land und Hochschulen prüfen, welche Angebote an wissenschaftlicher Weiterbildung erforderlich sind. Die Hochschulen sollten sich zu Einrichtungen lebenslangen Lernens weiterentwickeln. _ Rahmenbedingungen für die Forschung verbessern und Vernetzung fördern Angemessene finanzielle Rahmenbedingungen sind eine wesentliche Bedingung für leistungsfähige Forschung und strategische Drittmitteleinwerbungen der Hochschulen. Für die Weiterentwicklung der Forschung ist zudem die Berufung forschungsstarker Professorinnen und Professoren entscheidend. Dazu bedarf es einer überregional wettbewerbsfähigen finanziellen Ausstattung, attraktiver Arbeitsbedingungen und zügiger Berufungsverfahren. Zur Stärkung der Forschung an den HAW/FH sollten die Unterstützungsstrukturen ausgebaut und die Zeitkontingente der Professorinnen und Professoren für die Forschung erhöht werden. Dazu können gezielte Deputatsreduktionen und die Einführung von Forschungsprofessuren beitragen, für die geeignete Gegenfinanzierungsmodelle entwickelt werden müssen. Der Wissenschaftsrat hält es zudem für erforderlich, dass die HAW/FH zur gezielten Stärkung ihrer Forschungsschwerpunkte mehr wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Grundmitteln beschäftigen können. Alle Hochschulen sollten die strategische Vernetzung untereinander und mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Land sowie mit wissenschaftlichen Akteuren außerhalb Schleswig-Holsteins intensivieren, um in ihren Profilschwerpunkten eine größere Sichtbarkeit zu erlangen. _ Auf Landesebene einen strategischen Rahmen für Transfer setzen Damit das Land die vom Wissenschaftsrat identifizierten Transferpotenziale in den Schwerpunktthemen und darüber hinaus möglichst umfassend heben kann, ist eine engere Abstimmung der relevanten Ressorts der Landesregierung untereinander und mit den Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft erforderlich. Grundlage dieser Zusammenarbeit sollte eine von allen Beteiligten gemeinsam zu erarbeitende Landestransferstrategie sein. Aufbauend darauf sollte das Land den Hochschulen zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stellen, um gezielt und dauerhaft deren Fähigkeit zu stärken, Transfer, Translation und Innovationen im Interesse der Landesentwicklung zu unterstützen, insbesondere in Feldern mit Alleinstellungsmerkmalen. _ Transfer als Leistungsdimension in den Hochschulen verankern An den Hochschulen ist ein Kulturwandel notwendig, um Transfer zu stärken und systematisch mit den anderen hochschulischen Leistungsdimensionen zu verzahnen. Außerdem müssen die Hochschulen Rahmenbedingungen und Strukturen schaffen, die es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglichen und es attraktiv machen, sich im Transfer zu engagieren. Dazu sollten verlässliche Unterstützungsstrukturen an den Hochschulen und insbesondere an den HAW/FH mehr zeitliche Freiräume für Transferaktivitäten geschaffen werden. Zur Förderung von Gründungen an den Hochschulen bedarf es einer stärkeren Sensibilisierung von Forschenden und Studierenden für das Thema, spezifischer Beratung- sund Förderstrukturen, eines Abbaus von administrativen und finanziellen Hürden sowie verstärkter Aktivitäten zur Einwerbung von Wagniskapital. _ Kooperationen und institutionelle Vernetzung besser strukturieren Die übergreifenden Cluster- und Netzwerkstrukturen, die den Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft fördern sollen, sind in Schleswig-Holstein oft zu stark fragmentiert und unübersichtlich. In ihrem Aufgabenzuschnitt sind sie außerdem nicht hinreichend wissenschaftsorientiert, um Innovationsimpulse aus der Wissenschaft aufzunehmen, die für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung des Landes wichtig sind. Diese Strukturen sollten grundsätzlich überprüft werden und immer dann, wenn aus der Wissenschaft wesentliche Impulse für die innovationsbasierte Weiterentwicklung eines Wirtschaftszweigs zu erwarten sind, als themenbezogene Kooperationsplattformen neu aufgestellt werden. Diese sollten die auf dem jeweiligen Feld aktiven Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteure sowie die einschlägigen Landesressorts einbinden. Die Neuaufstellung sollte unbedingt zu einer Konsolidierung und nicht zu einem Zuwachs an Strukturen führen. Zu den Schwerpunktthemen Der Wissenschaftsrat begrüßt, dass das Land den Beitrag der Hochschulen zur Innovationsfähigkeit und Wertschöpfung in den Schwerpunktthemen erkannt hat und verstärkt fördern will. Er gibt Empfehlungen, wie Land und Hochschulen die wissenschaftlichen Potenziale der Schwerpunktthemen noch besser erschließen können. Erneuerbare Energien/Energiewende Es bestehen sehr gute Voraussetzungen, Schleswig-Holstein zu einem Reallabor für die Transformation hin zu einem nachhaltigen und zukunftsfähigen Energiesystem zu entwickeln. Die Hochschulen sind in diesem Bereich schon jetzt Treiber von wissens- und technologiegestützten Innovationen und tragen zur Fachkräftesicherung bei. Neben der auf dem Gebiet der Leistungselektronik herausragenden Spitzenforschung an der CAU leisten in der Breite insbesondere die HAW/FH wichtige Beiträge. Allerdings sind die Aktivitäten der Hochschulen auf diesem Gebiet bislang oft zu kleinteilig und zu wenig strukturiert. Der Wissenschaftsrat empfiehlt deshalb eine landesweite Forschungs- und Transferstrategie Erneuerbare Energien/Energiewende, die mit der übergreifenden Landestransferstrategie abgestimmt sein muss. Die Hochschulen sollten auf der Grundlage ihrer Portfolioanalyse in den für die Begutachtung bestimmten Forschungsverbünden Fokusfelder identifizieren, in denen ihre Stärken liegen und eine kritische Masse geschaffen werden kann. Angesichts der spezifischen Reallaborsituation in Schleswig-Holstein empfiehlt der Wissenschaftsrat Hochschulen und Land, besonders die Verbünde Wind, Netzintegration und Wasserstoff ebenso wie den vorwiegend von sozialwissenschaftlichen Perspektiven geprägten Verbund Transformation weiterzuentwickeln. Angesichts der aktuell sehr unübersichtlichen Netzwerkstruktur begrüßt der Wissenschaftsrat das Bestreben des Landes, die Struktur mit einem zentralen Akteur neu aufzustellen. Um dem Fachkräftebedarf der relevanten Branchen zu begegnen, sollten die Hochschulen zudem die entsprechenden Studiengänge stärken und sichtbarer machen. Lebenswissenschaften In den Lebenswissenschaften sind vor allem die CAU und die UzL stark profiliert. Mit diesen beiden Universitäten, der stärker anwendungsorientierten Forschung und Lehre an der Fachhochschule Kiel (FH Kiel), der Hochschule Flensburg (HS Flensburg) und der Technischen Hochschule Lübeck (TH Lübeck) sowie dem Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie und dem Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung bestehen im Land sehr gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der Lebenswissenschaften. Besonders relevante lebenswissenschaftliche Felder sind aus Sicht des Wissenschaftsrats in Schleswig-Holstein neben der Medizin die Evolutionsbiologie, die Strukturbiologie, die Bioanalytik sowie die Agrar- und Ernährungswissenschaften. Die medizinnahen Bereiche der biowissenschaftlichen Fächer werden in hohem Maße von der Entzündungsforschung geprägt. Durch die Fokussierung auf medizinnahe Fragestellungen in den Lebenswissenschaften finden die Agrar- und Ernährungswissenschaften und deren Transferpotenziale noch zu wenig Berücksichtigung. Insbesondere in einer stärkeren Anbindung der Agrar-, Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften an die Grundlagenforschung im Bereich der Mikrobiom- und Metaorganismusforschung sieht der Wissenschaftsrat eine wesentliche Voraussetzung, um Innovationen zu ermöglichen. Auch von einer intensiveren standortübergreifenden Vernetzung der Hochschulen ist neben einer Leistungssteigerung in der Forschung eine bessere Erschließung bislang ungenutzter Potenziale für den Transfer in die Agrar- und Ernährungswirtschaft zu erwarten. In der Evolutionsbiologie verfügt der Standort Kiel über eine deutschlandweit herausragende Forschungsinfrastruktur. Die bestehenden Stärken im Bereich der evolutionsbiologischen Grundlagenforschung, beispielsweise in der Mikrobiom- und Metaorganismusforschung, sollten konsequent ausgebaut und weiterhin mit anderen besonderen Stärken des Standorts, beispielsweise in der Meeresforschung, vernetzt werden. Durch eine enge Verbindung der Evolutionsbiologie mit der agrar- und ernährungswissenschaftlichen Forschung kann die CAU deutschlandweit ein Alleinstellungsmerkmal entwickeln. Medizintechnik Die Medizintechnik ist eine ausgewiesene Stärke Schleswig-Holsteins und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor mit bedeutenden im Land ansässigen Unternehmen. Die CAU, die UzL und die TH Lübeck sind in diesem Bereich äußerst leistungsfähig und ein wesentlicher Faktor für die Weiterentwicklung der Medizintechnik. Am Standort Lübeck agieren UzL, TH Lübeck und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen beispielhaft in einem institutionalisierten Netzwerk. Der Wissenschaftsrat würdigt das bisherige zielgerichtete Engagement des Landes für die Medizintechnik und bestärkt es darin, den Schwerpunkt weiterhin zu unterstützen. Um die bereits sehr hohe Leistungsfähigkeit des Landes in der Medizintechnik weiter zu stärken, sollten die CAU und die UzL, auch unter Einbeziehung der TH Lübeck, ihre komplementäre Profilierung im Rahmen eines gemeinsamen Portfoliomanagements vertiefen und die sich daraus ergebenden Kooperationsmöglichkeiten intensiver nutzen. Die Hochschulen leisten bereits erfolgreichen Transfer, gleichwohl hält der Wissenschaftsrat dessen Potenziale, insbesondere im klinischen Bereich und bei Ausgründungen, für noch nicht ausgeschöpft. Land und Hochschulen sollten durch gezielte Anreize die Innovationskultur weiter fördern sowie Prozesse und Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit mit Unternehmen und Kliniken so weit wie möglich vereinheitlichen. Angesichts ihrer herausgehobenen medizintechnischen Profilierung sollten die beiden Lübecker Hochschulen die internationale Sichtbarkeit ihrer Studienangebote auch in Abstimmung mit entsprechenden Angeboten in Kiel und Hamburg erhöhen. Meereswissenschaften In den Meereswissenschaften sind die Ausgangsbedingungen in Schleswig-Holstein herausragend. Die CAU betreibt in engem Verbund mit dem Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Lehre und Forschung auf internationalem Spitzenniveau. Die FH Kiel und die HS Flensburg sind auf einigen hochspezialisierten Feldern in Schiffbau und Meerestechnik sehr leistungsfähig. Ungeachtet der laufenden Aktivitäten der Hochschulen im Transfer bestehen jedoch noch erhebliche weitere Potenziale für die Innovationsfähigkeit der maritimen Wirtschaft sowie für Zukunftsthemen im Bereich Meeresschutz und -nutzung. Solche Potenziale bestehen insbesondere in Querschnittsfeldern innerhalb der Meereswissenschaften und mit anderen Wissenschaftsgebieten. Das Land und die relevanten wissenschaftlichen Akteurinnen und Akteure sollten die Stärken in den Meereswissenschaften gezielter bündeln und systematisch zukunftsfähige Transferpotenziale identifizieren. Konkrete Ansätze im Land bestehen dafür etwa in der marinen Bioökonomie, der Beseitigung von Munitionsaltlasten im Meer und bei der maritimen Energiewende. Um die Leistungsfähigkeit des Standorts Kiel noch besser auszuschöpfen, sollten CAU und Geomar gemeinsam strategische Ziele formulieren. Die interdisziplinären Kompetenzen der universitären Forschungsschwerpunkte Kiel Marine Science (KMS) und Kiel Life Science sollten bei der Kooperation noch stärker berücksichtigt werden. Außerdem sollte die CAU die disziplinäre Vielfalt von KMS stärker in der Lehre abbilden. Die FH Kiel und die HS Flensburg sollten ihre maritim-technischen Studienangebote regional und überregional sichtbarer machen und diese mit Unterstützung des Landes langfristig sichern. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz Das Schwerpunktthema Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) hat vielfältige wissenschaftliche und wirtschaftliche Anwendungsfelder, es bildet deshalb einen zentralen Querschnittsbereich, der unter anderem alle anderen Schwerpunktthemen berührt. Der Wissenschaftsrat hält die wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen im Land nicht für ausreichend, um in diesem Bereich eine führende Position einzunehmen. Gleichwohl sind Anstrengungen zu seiner Stärkung unerlässlich, um die Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts Schleswig-Holstein zu sichern, denn in den Hochschulen und in der Breite der Gesellschaft verankerte digitale Kompetenzen sind entscheidend für wissenschaftliche und wirtschaftliche Innovationen. Der Wissenschaftsrat begrüßt deshalb das jüngst vom Land auf den Weg gebrachte KI-Professuren-Programm. Die Hochschulen sollten sich auf die Stärkung anwendungsbezogener digitaler und KI-Kompetenzen fokussieren. Die grundlagenorientierte Informatik an der CAU und der UzL sollte mittels geeigneter Strukturen mit allen Professuren im Land mit KI-Bezug hochschulübergreifend vernetzt werden, damit neue Erkenntnisse und methodische Innovationen aus der Grundlagenforschung in den Anwendungsfeldern zur Geltung kommen können. Die durch kleine und mittlere Unternehmen geprägte Wirtschaft des Landes ist in besonderer Weise auf die niederschwellige Unterstützung bei der Implementierung digitaler und KI-Technologien angewiesen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Transferstrukturen transparenter und effizienter zu gestalten und dabei die Bedarfe der Unternehmen im Land zu berücksichtigen. Kultur- und Kreativwirtschaft Kreative Bedarfe finden sich in zahlreichen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anwendungsfeldern. Die Hochschulen tragen mit ihren Angeboten und Leistungen maßgeblich zu den verschiedenen Teilmärkten der Kultur- und Kreativwirtschaft bei. In diesem Bereich liegen große Synergie- und transdisziplinäre Innovationspotenziale für Wissenschaft und Wirtschaft, die jedoch zunächst identifiziert werden müssen. Kultur und kreative Milieus sind außerdem ein wichtiger Standortfaktor, der die Attraktivität und Innovationskultur des Landes stärkt. Ein Problem besteht in der fehlenden Datengrundlage für die Branche. Der Wissenschaftsrat empfiehlt nachdrücklich, einen Kultur- und Kreativwirtschaftsbericht für Schleswig-Holstein erstellen zu lassen. Auf dieser Basis sollte eine übergreifende Strategie mit klaren Zielen formuliert werden. Dazu ist ein hochschulübergreifender Austausch der Kreativfächer untereinander und mit anderen Fächern sowie mit Unternehmen und relevanten wirtschaftlichen Organisationen notwendig. Damit die Hochschulen ihre Potenziale als Katalysatoren kreativer Innovationen entfalten können, sind geeignete strukturelle Rahmenbedingungen für die branchenweite Vernetzung erforderlich. Zur Universitätsmedizin Die Universitätsmedizin Schleswig-Holstein hat in den vergangenen Jahren eine vielversprechende Entwicklung vollzogen. An beiden Standorten in Kiel und Lübeck ist die Universitätsmedizin für das jeweilige universitäre Profil prägend und interfakultär (CAU) respektive intersektionell (UzL) sehr gut vernetzt: Die Forschungsschwerpunkte der Sektion Medizin Lübeck schaffen vielversprechende Schnittstellen zwischen Informatik/Technik, Medizin und Naturwissenschaften. Die Medizinische Fakultät in Kiel ist insbesondere für die Kieler Lebenswissenschaften, aber auch für weitere Bereiche wie die Material- und Meereswissenschaften von Bedeutung. Für die weitere Entwicklung wird es entscheidend sein, Kooperationen und die jeweilige Schwerpunktsetzung an beiden Standorten noch besser auszutarieren: Standortübergreifende Schwerpunkte in der Forschung (z. B. in der Entzündungsforschung oder Onkologie) sollten durch strategische Aktivitäten bzw. Infrastrukturen sowohl auf wissenschaftlicher wie auch auf klinischer Ebene weiter gestärkt (z. B. durch gemeinsame Berufungen, gemeinsame Clinician Scientist-Programme usw.) bzw. aufgebaut werden (z. B. in der Medizintechnik oder Genomik). Aufgrund der Bedeutung der Medizin für die jeweiligen universitären Forschungsschwerpunkte muss die wissenschaftliche Profil- und Schwerpunktbildung der Universitätsmedizin in Kiel und in Lübeck auch standortbezogen weiter gestärkt werden. Dies sollte auf forschungsstarke und strukturell unterlegte Bereiche konzentriert werden, um die knappen Ressourcen optimal einzusetzen. Voraussetzung hierfür ist, dass die beiden Universitäten in einem strategischen, institutionalisierten Prozess ihre Potenziale in Forschung, Lehre, Transfer/Translation und (Daten-)Infrastrukturen identifizieren. Dieser Strategieprozess sollte in der Universitätsmedizinversammlung erfolgen und die Aufgaben dieses Organs sollten entsprechend angepasst werden. Die Zusammensetzung der Gremien sollte weiter verschlankt, ihre Aufgabenverteilung und die jeweiligen Entscheidungsbefugnisse vereinfacht werden. Hierfür sollte eine mögliche Überführung des Aufgabenportfolios der Gewährträgerversammlung in den Verantwortungsbereich des Aufsichtsrats geprüft und die universitäre Perspektive durch die Präsidentinnen bzw. Präsidenten der CAU und UzL als ordentliche Mitglieder des Aufsichtsrats verstärkt werden. Transfer- und Translationsleistungen der Universitätsmedizin sind für die Innovationskraft und Wertschöpfung einschlägiger Wirtschaftssektoren des Landes (u. a. Gesundheitswirtschaft, Medizintechnik) bereits jetzt von großer Bedeutung. Um Transfer- und Translationsaktivitäten der Universitätsmedizin auszuweiten und damit ihr Innovationspotenzial besser zu heben, ist eine deutlich stärkere, über alle Statusgruppen hinweg etablierte Transfer- und Translationskultur notwendig. Auch sollten beide Universitäten und das UKSH adäquate personelle, finanzielle und insbesondere zeitliche Ressourcen bereit- und – gerade im klinischen Bereich – verbindliche Freistellungsmöglichkeiten sicherstellen. Beratungs- und Unterstützungseinheiten sollten in der Regel campusübergreifend vorgehalten und an klinische Einheiten angebunden sein. Für die Fachkräfteentwicklung und Ausbildung leistet die Universitätsmedizin bereits viel. Insbesondere die Weiterentwicklung der hochschulischen Qualifizierungswege in den Gesundheitswissenschaften (Pflege-, Therapie- und Hebammenwissenschaften) bietet Chancen für die Fachkräfteentwicklung und -bindung im Land Schleswig-Holstein. Das UKSH, aber auch die UzL und das Land sollten weitere Anstrengungen unternehmen, um attraktive Karrierewege auch für hochschulisch gebildetes Gesundheitsfachpersonal zu schaffen und die Nachfrage nach akademisch qualifiziertem Personal in diesen Disziplinen strukturell zu fördern. Das UKSH ist als einzige Einrichtung der Maximalversorgung für die Gesundheitsversorgung des Landes von großer Bedeutung. Um Alleinstellungsmerkmale der Hochleistungsversorgung des Landes noch sichtbarer auszudifferenzieren, sollten sich die wissenschaftlichen Schwerpunkte beider Standorte zukünftig stärker auch in den jeweiligen klinischen Schwerpunkten abbilden. Mit Blick auf die Versorgungsstruktur im Land sollten die universitätsmedizinischen Standorte und das UKSH weitere Vernetzungs- und Kooperationsmöglichkeiten in die Fläche prüfen, um stärker auch System- und Zukunftsaufgaben zu übernehmen. Für eine langfristige Sicherstellung der Wettbewerbs- und Konkurrenzfähigkeit der Universitätsmedizin sowie den Erhalt der universitären Spitzenmedizin in einigen Bereichen muss der finanzielle Spielraum für die Universitätsmedizin vergrößert werden. Angesichts zu erwartender Kostenentwicklungen spricht sich der Wissenschaftsrat für einen dynamischen Mittelaufwuchs aus, der auch eine strukturelle Erhöhung der Mittel einschließt.
Item Type: | Book |
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Uncontrolled Keywords: | sdg 7 - affordable and clean energy,sdg 14 - life below water ,/dk/atira/pure/sustainabledevelopmentgoals/affordable_and_clean_energy |
Faculty \ School: | Faculty of Science > School of Environmental Sciences University of East Anglia Research Groups/Centres > Theme - ClimateUEA |
UEA Research Groups: | Faculty of Science > Research Groups > Centre for Ocean and Atmospheric Sciences |
Depositing User: | LivePure Connector |
Date Deposited: | 28 Oct 2023 00:31 |
Last Modified: | 30 Oct 2023 01:37 |
URI: | https://ueaeprints.uea.ac.uk/id/eprint/93489 |
DOI: | 10.57674/hjf5-5z79 |
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